Dass ich für meinen Beitrag über ADHS so viel tolles Feedback bekommen habe, hatte ich wirklich nicht erwartet, aber es freut mich natürlich sehr. Die Frage, wie ich nun bei ADHS die positive Seite sehe, kam sehr häufig. Deswegen gibt es einen Teil 2. Ihr seht, ich nehme eure Wünsche gerne mit auf. 🙂
Die im letzten Teil beschriebene Stärke, die ich aus meinen Erfahrungen ziehe, ist natürlich nur eine von vielen positiven Seiten. In diesem Beitrag gebe ich euch meine 4 größten Vorteile.
Beginnen wir mit dem offensichtlichsten: Energieüberschuss!
Die Menge an Energie kann einen bremsen und sogar zu Lethargie führen. Doch wenn jemand mit ADHS sich wirklich für eine Sache interessiert, multipliziert sich der Fokus im besten Fall wie eine Lupe für Sonnenstrahlen.
Wenn ich wirklich für etwas brenne, erreiche ich an einem Tag oft das, was andere in einer Woche schaffen. Das liegt natürlich auch daran, dass meine Tage dann 22 Arbeitsstunden haben. 🙂
Früher haben mir tatsächlich 2 Stunden Schlaf gereicht. Nur so habe ich – haltet euch fest – drei (!) Ausbildungen gleichzeitig gemacht, während ich eine Privatschule mit 450 Schülern und 70 Angestellten geleitet habe. Dass ich nebenbei auch noch 30 Stunden pro Woche unterrichtet habe, war auf Dauer tatsächlich etwas kompliziert. Deswegen habe ich das „nur“ 2 Jahre durchgehalten und meine Komponistenausbildung nach dem Bachelor abgeschlossen. Aber ich habe es gerne gemacht. Und das macht bei ADHS viel aus!
Ein weiterer Vorteil sind die Tics als Barometer meines Wohlbefindens.
Im letzten Beitrag habe ich euch erzählt, wie meine Tics sich in stressigen Zeiten vermehren. Das tun sie aber auch, wenn mich etwas beschäftigt. Und wie bei vielen Menschen weiß ich nicht immer, was mich im Unterbewusstsein so beschäftigt oder nervt. Meine Tics verraten mir jedoch, wie ein Barometer, wenn ich nicht ausgeglichen bin. Daraufhin nehme ich mir eine kleine soziale Auszeit, um herauszufinden, was es sein könnte. Sobald meine Tics weniger werden, weiß ich, dass ich die unbewusste Sache gelöst habe. Ist die Sache nicht gelöst, werden die Tics nicht weniger, und ich begebe mich erneut auf die Suche nach dem Grund.
Der dritte Vorteil ist mir noch ein Rätsel, wie es funktioniert, aber es tut es. Mein ADHS multipliziert irgendwie auch meine Kreativität. Die Gedanken in meinem Kopf sind manchmal so unstrukturiert, dass ich leicht aus festgelegten Mustern ausbreche und auf die verrücktesten Ideen komme. Diese Ideen in so einem Moment strukturiert auf einer Seite festzuhalten, ist schier unmöglich und sollte man auch nicht versuchen (das musste ich aber auch erst herausfinden). Ich schreibe alles in meinem Brainstorm-Heft auf und beschäftige mich erst viel später mit den strukturellen Aspekten. Einen ADHS-Kreativschub lasse ich selten an mir vorbei gehen, auch wenn dafür dann auch mal plötzlich ein gemütlicher Fernsehabend weichen muss.
Als letzten Vorteil möchte ich die nicht vorhandene Impulskontrolle ansprechen. Auch wenn das eigentlich eine negative Eigenschaft ist, gibt mir diese Eigenschaft oft die Kraft und vor Allem den Mut, etwas „einfach zu tun“. Nicht zu viel nachdenken, Ängsten keinen Platz geben und einfach machen! Viele Menschen unterlassen Vieles aus Angst zu versagen. Doch dank der fehlenden Impulskontrolle setze ich häufig einfach um. Mein Motto lautet: Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder du gewinnst oder du lernst. Und wer umsetzt, gewinnt häufig!
Ich gebe aber auch zu, ich habe in meinem Leben auch schon viel lernen dürfen 😉
Euer Student 😉
Tom