Ich habe schon oft über die Vorteile von ADHS gesprochen, doch die kleine Wellnesswoche, die ich mir letztens gegönnt habe, war ein Paradebeispiel für die eher herausfordernde Seite der Diagnose.
Sobald mein Kopf das Wort Ruhe denkt, beginnt meine Haut, wie bei einer allergischen Reaktion, zu kribbeln. Gedanken rasen durch mein überstrapaziertes Gehirn, und ich denke mir in einem irren Tempo 143 Möglichkeiten aus, wie ich mich am besten entspannen könnte. Die Meditation empfiehlt, solche Gedanken wegzuatmen. Ich gebe mir die allergrößte Mühe und starte mit einem tiefen Atemzug.
Mir wurde im Wellness-Center eine Hot-Stone-Massage empfohlen. Die wohlige Wärme soll angeblich für tiefe Entspannung im Gehirn sorgen. Großartig – das probieren wir aus. Beim Ausziehen bemerke ich, wie meine ehemals gut sitzende Hose ein Relief in meine Haut gedrückt hat. Sofort geht mein Kopf los: Hm… Ich habe offensichtlich zugenommen. Während ich mich auf den Massagetisch werfe, denke ich mir 143 Möglichkeiten aus, wie ich wieder abnehmen könnte.
Eine kleine Frau aus Indonesien kommt rein. Nachdem sie sich kurz vorgestellt hat, drückt sie mir einen kochend heißen Stein in den Rücken. „Irgendwie fühle ich mich wie eine fette Kuh, die gerade ihre Brandmarke bekommt,“ denke ich belustigt. 🙂 Ich versuche, die Gedanken wegzuatmen und das „Nichts“ zu genießen. Doch während sie mit vollem Körpereinsatz verspannte Stellen in meinem Nacken bearbeitet, frage ich mich plötzlich, worin eigentlich genau der Unterschied zwischen Folter und Massage liegt. Die Antwort kommt schnell: Folter ist unfreiwillig – für die Massage bezahlt man sogar. Aber es soll ja helfen, also atme ich mich weiter in die Tiefenentspannung.
Nach der doch etwas intensiven Massage bekomme ich zur Belohnung noch einen gesunden Tee. Als großer Fan dieses Getränks freue ich mich besonders auf das Ingwer-Holunderblüten-Aroma von handgepflückten Teeblättern aus chinesischen Sonnenwiesen. Es schmeckt zwar exakt wie die Teemischung „Morgenglück“ aus dem DM, aber bei dieser Beschreibung fühlt es sich direkt gesünder an. 🙂 In meinem Kopf möchte ich 143 verschiedene Marketingkampagnen für ausgefallene Tees starten, doch ich erinnere mich ans Atmen und seufze augenverdrehend tief.
Am nächsten Tag versuche ich es mal mit Akupunktur. Ihr könnt euch vorstellen, dass mir ähnliche Foltergedanken durch den Kopf gingen wie bei der Hot-Stone-Massage. Doch als ich da zugenadelt auf dem Tisch lag, kam ein noch stärkerer, interessanter Gedanke hoch: „Gibt es jetzt irgendwo auf der Welt eine Voodoo-Puppe, die mir ähnelt, der es so richtig schlecht geht?“ 🙂
Ich überlege, ob ich daraus eine lustige Nummer schreiben sollte. Oder ist das was für den Blog? Oder vielleicht für… Ich unterbreche meinen eigenen Gedanken und atme tief ein und aus. Entspanne dich, Dewulf. Entspaaaaaaanne dich!!!
Doch dann übernimmt meine kompetitive Seite meine Gedanken, und plötzlich will ich der weltbeste Entspanner sein! Dass das auf diese Weise natürlich überhaupt nicht klappt, versteht sich von selbst – und stresst mich zutiefst. Nervöse Tics in meinem Gesicht häufen sich, und ich denke darüber nach, dass ein zuckender Kopf voller Nadeln von außen wahrscheinlich ziemlich seltsam aussieht. Also atme ich das Bild eines Kaktus im Tropenwind weg und versuche erneut, das „Nichts“ zu genießen.
Letzter Versuch: Fußreflexzonenmassage! Davon habe ich viel Gutes gehört. Und auch wenn mir zu diesem Thema viele lustige Gedanken aufploppen, sollen immerhin auch die inneren Organe davon profitieren. Ich freue mich also auf diese Leber-Nieren-Massage. Während die Dame mit einem Holzgerät meine Füße bearbeitet, merke ich, wie ich langsam in eine andere Welt abgleite – und laaaaangsam, aber sicher einschlafe. „Wie toll!“ denke ich entzückt. „Ich schaffe es! Endlich irgendwas, das funktioniert!!!“ – und bin vor lauter Begeisterung wieder hellwach.
Ich atme meine Euphorie wieder weg und gleite erneut in eine schöne Trance. Im Halbtraum falle ich plötzlich in ein tiefes Loch, mein ganzer Körper zuckt – und bei dieser unkontrollierten Bewegung schießt mein Fuß nach vorne und trifft die arme Dame direkt ins Gesicht.
Ob sie das sehr großzügige Trinkgeld für eine Nasen-OP genutzt hat, habe ich nie erfahren. Aber ab diesem Moment war für mich klar:
Meine überschüssige Energie ist für alle eine Herausforderung – aber meine Ruhe… die ist sogar gefährlich. 🙂